Als die Pietá an mich hernangetragen wurde, war ich geehrt ein Werk dieser Schönheit nur in Händen halten zu dürfen. Leider war der Zustand katastrophal und selbst der Versuch die Pietá unbeschädigt nur in Händen zu halten, erwies sich als gar nicht so einfach. Der Einbau einer Fussbodenheizung hat das Museum, ein historisches Gebäude, das eine gewisse Grundfeuchtigkeit aufgewiesen hatte, vollkommen ausgetrocknet. Die Folge war auch ein Austrocknen der darin befindlichen Objekte. Wie verhärend sich das auf eine gefasste Skulptur auswirkte, die es Jahrhunderte gewohnt war in einer Kapelle zu stehen, konnte man nicht übersehen. Die Fassung, welche bei einer vorherigen Restaurierung mit Kunstharz gefestigt wurde, konnte dem Schrumpfen des Innenkernes nicht folgen und lößte sich in ganzen Platten vom Untergrund. Diese verweilten mehr aus Jahre langer Gewohnheit als wegen der kleinen noch zusammenhaltenden Bruchecken, welche sich der Schrumpfung des Kernes wegen in einander verzahnt hatten, und sich gegeneinader pressend aufwarfen, bis sie im schlimmsten Fall bei leichter Berührung oder aus Materialschwäche ganz heraus fiehlen. So ergab sich der erste Restaurierungsschritt ganz von selbst - festigen der losen aber noch am Objekt haftenden Teile. Meine bislang immer verwendete Methode mit Hasenhautleiminjektionen den Kreidegrund geschmeidig zu machnen und wieder zu festigen scheiterte, da das Lucitewasser, mit dem zuvor gefestigt wurde, das Eindringen des Hasenhautleimes verhinderte. Jeglicher Versuch das alte Konservierungsmittel an zu lösen und wieder geschmeidig zu machen schlug fehl. Bis ich mit Hilfe von Frau Dr.Schäning das Medium zur Konsolidierung fand, das alle Anforderungen für die Restaurierung erfüllte und allen Wünschen der ehrenwerten Kundschaft gerecht wurde. Es drang tief in die Fassung ein, machte sie weich und sie ließ diese mit etwas Druck an den Holzkern anpressen und stabilisieren ohne Verwerfungen zu bilden, und das ohne die Farbe zu verändern oder zu gefährden. So konnte ich nach einigen Vesuchen an der Seite unten sowohl die aufbröselde Fassung konservieren, die abblätternden Schollen wieder in Position befestigen und die Fassung zu einer halbwegs homogenen verfliesenden Oberfläche bringen, ohne all zu große Kanten und Sprünge. Als die Festigung abgeschlossen war ging ich daran die optischen Schäden, welche durch das Verlorengehen größerer Bereiche entstanden war, zu beheben. zuerst mußte der Kreidegrund ergänzt werden und in die Kurven und Schwüge eingefügt werden. Manche alten Kittungen mit einem mir nicht bekannten Material waren schlampig gemacht und wurden ersetzt, andere konnten durch ein wenig nacharbeiten angeglichen werden. Meine Vorgängerin hatte für Ihre Retuschen ein Punteggio gewählt. So hielt ich es für angebracht, um Ihre Arbeit von der meine unterscheidbar zumachen, aber dennoch nicht der Verführung zu fallen eine Fälschung zu produzieren, mich für eine ähnliche, da verwandte, Art der Retusch zu entscheiden. Strateggio. Mit hellen Strichen anfangend nähert man sich in kleinen Schritten an die Farbe der Umgebung an, bis auf etwa einen Meter Entfernung das Erscheinungsbild eine Unversehrtheit vortäuscht, bei näherer Betrachtung allerdings dem Betrachter das Original eindeutig von der Ergänzung unterscheiden läßt.